Kardiochirurgie
Die komplett arterielle Koronarrevaskularisation mittels beidseitiger Arteria mammaria ist das überlegene Verfahren zur operativen Behandlung der koronaren Herzkrankheit. Die sehr guten Offenheitsraten der Mammaria-Bypässe im Vergleich zu den Venenbypässen und die besseren Überlebensraten der Patienten nach einer arteriellen Revaskularisation sind durch zahlreiche Studien belegt.
Trotz dieser Faktenlage entspricht es der Realität, dass nach wie vor der Großteil aller Patienten neben dem LIMA-Bypass auf LAD ausschließlich mit venösen Bypässen versorgt werden, was die 2019 publizierte Europäische Leitlinie für Koronarrevaskularisation als "suboptimal" bezeichnet (siehe unten).
Wir streben heute bis auf wenige Ausnahmen bei allen Patienten eine komplett arterielle Revaskularisation an. Mittlerweile haben wir unsere Rate auf 95 Prozent anheben können und sehen heute für dieses Konzept als Goldstandard der Koronarchirurgie nur wenige Kontraindikationen.
Seit Einführung der Off-pump Chirurgie in unserem Herz- und Gefäßzentrum im Jahr 1997 war es möglich, die komplett arterielle Revaskularisation ohne Manipulation an der Aorta durchzuführen. In unseren Händen hat dieses Operationsverfahren eine sehr geringe perioperative Morbidität und Mortalität sowie ausgezeichnete Offenheitsraten der arteriellen Bypässe. Die Patienten profitieren durch die Vermeidung aller potentiellen Komplikationen durch die Herz-Lungen-Maschine, weniger Schlaganfällen, Vermeidung von Fremdblutgaben und eine geringere Rate an Wundheilungsstörungen.
Ziel unseres Zentrums ist es, unseren Patientinnen und Patienten durch Bündelung von Kompetenzen die bestmögliche Bypass-Chirurgie zu bieten, nämlich die komplett arterielle Revaskularisation.
Wir setzen uns dafür ein, dass dieses überlegene Behandlungskonzept möglichts vielen Patientinnen und Patienten zugute kommt und kümmern uns aktiv um die Ausbildung des chirurgischen Nachwuches, denn bei routinemäßigem Einsatz der arteriellen Revaskularisation, wenn möglich ohne Herz-Lungen-Maschine, wird mit zunehmender Expertise auch die Evidenz in wissenschaftlichen Untersuchungen zugunsten der arteriellen Revaskularisation steigen.
Vielen Dank für Ihr Interesse.
Professor Dr. med. Friedrich-Christian Rieß
Direktor Deutsches Zentrum für arterielle Koronarrevaskularisation
Chairman des Albertinen Herz- und Gefäßzentrums
Chefarzt der Herzchirurgie
Video über die komplett arterielle Revaskularisation am schlagenden Herzen
Der Trend in der Koronarchirurgie geht klar in Richtung komplett arterielle Revaskularisation. Wenn immer möglich, versuchen wir den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine dabei zu vermeiden (OPCAB = off-pump coronary artery bypass). Die Offenheitsrate von arteriellen Bypasses ist denen von Venenbypasses klar überlegen. Durch die Vermeidung der Herz-Lungen-Maschine und die Operation in der sogenannten Aortic non-touch Technik kann das Risiko von Schlaganfällen praktisch komplett vermieden werden.
Eine komplett arterielle koronare Revaskularisation kann unter Verwendung beider skelettiert präparierter Brustbeinschlagadern fast immer durchgeführt werden. Im Albertinen Herz- und Gefäßzentrum liegt die Rate der komplett arteriellen Revaskularisation seit mehreren Jahren um die 93 Prozent.
Bei der skelettierten Entnahme der Brustbeinschlagader wird in der Regel ausschließlich die Arterie präpariert, Begleitvenen, Nerven und umliegendes Gewebe werden erhalten. Vorteile sind die bessere Durchblutung des Brustbeins und die Vermeidung der Schädigung von Hautnerven mit nachfolgenden Sensibilitätsstörungen. So ist auch bei beidseitiger Präparation der Brustbeinschlagader die Rate an Brustbeininfektionen genauso niedrig wie bei Eingriffen mit Verwendung nur einer Arteria mammaria. Insbesondere Patienten mit einem Diabetes mellitus profitieren von einer skelettierten Entnahme der Brustbeinschlagader durch ein sehr viel geringeres Infektionsrisiko.
Im Rahmen der minimal invasiven Herzchirurgie kann die Herz-Lungen-Maschine mit ihren negativen Begleiteffekten (erhöhte Rate an neurologischen Komplikationen, erhöhter Blutverbrauch u. a.) vermieden werden. In Deutschland wurden im Jahr 2013 15,5 % (DGTHG-Statistik 2013) aller Koronaroperationen in der sogenannten off-pump-Technik ohne Herz-Lungen-Maschine durchgeführt. Im Albertinen Krankenhaus lag die Rate im Jahr 2019 für die minimal invasive off-pump-Chirurgie bei über 60 % und sie steigt weiter an.
Die Benutzung eines sogenannten T-Grafts ermöglicht bei den meisten Patienten eine komplett arterielle Revaskularisation. Dabei werden beide Brustbeinschlagadern skelettiert präpariert. Die linke Brustbeinschlagader wird insitu belassen, und es können damit die vorderen Koronaräste versorgt werden, beispielsweise der Diagonalast und der LAD mit einem sequentiellen ("Jump") Bypass. Die rechte innere Brustbeinschlagader RIMA wird als sogenanntes freies Transplantat in einem 90 Grad Winkel (T-Graft) in die linke innere Brustbeinschlagader implantiert, und mit diesem Graft können dann mittels Seit-zu-Seit-Anastomosen bzw. End-zu-Seit-Anastomosen die Gefäße der Hinterwand, die Marginaläste (M), Ramus circumflexus (CX) und die Äste der rechten Kranzarterie (RCA, RPD, RPL) versorgt werden.
Schematische Darstellung der komplett arteriellen Koronarrevaskularisation
In den meisten Fällen ist das bevorzugte operative Verfahren die komplette arterielle Revaskuarisation ohne den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine (OPCAB). Dabei wird nach medianer Sternotomie und Brustbeinschlagaderpräparation zunächst die T-förmige Verbindung zwischen RIMA (rechte Brustbeinschlagarterie) und LIMA (linke Brustbeinschlagarterie) angelegt. Anschließend wird das Herz mit tiefen Perikardschlingen in die geeignete Position gebracht. Dann wird am schlagenden Herzen zunächst das betroffene Koronargefäß mit 2 luftgefüllten Vessel-Loops angeschlungen und dann in Kombination mit einer eigens dafür in unserer Abteilung entwickelten Stabilisationsplattform in Kombination mit einem flexiblen Haltearm ruhig gestellt. Auf diese Weise können Verbindungen zwischen Koronargefäßen und Bypasses in hoher Qualität genäht werden.
Die Indikation zu einer minimal invasiven arteriellen Off-pump-Bypassversorgung besteht grundsätzlich bei allen isolierten Koronaroperationen. Insbesondere ältere Hochrisikopatienten mit schweren Begleiterkrankungen, wie chronische Niereninsuffizienz, neurologischen Begleiterkrankungen, insulinpflichtigem Diabetes mellitus und anderen Begleiterkrankungen profitieren von diesem Operationsverfahren. Darüber hinaus können Patienten mit frischem Myokardinfarkt oder stark verkalkter Aorta ascendens (Porzellanaorta) mit dieser Operationstechnik risikoarm operiert werden.
Die im Albertinen Herz- und Gefäßzentrum entwickelte Spezialplattform ermöglicht durch perfekte Ruhigstellung bei Operationen am schlagenden Herzen die hohe Qualität der Anastomosen.
Im Folgenden zitieren wir Auszüge aus den aktuellen Europäischen Leitlinien zur Myokardrevaskularisation, publiziert im European Journal of Cardiothoracic Surgery 2019
Sousa-Uva M, Neumann F-J, Ahlsson A, Alfonso F, Banning AP, Benedetto U et al. 2018 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization. Eur J Cardiothoracic Surg 2019;55:4-90.
Die in eckigen Klammern angegebenen Nummern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis dieses Artikels im European Journal of Cardio-thoracic surgery.
"The IMA is the conduit of choice for revascularization during redo CABG if not previously used, or can be salvaged and reused in specific cases." [344,345]
Die IMA ist die erste Wahl für die Revaskularisierung während der Redo-CABG, wenn sie nicht vorher verwendet wurde, oder kann in Einzelfällen geborgen und wiederverwendet werden.
"In addition to patient-related factors, the outcome following CABG is related to the long-term patency of grafts and therefore is maximized with the use of arterial grafts, specifically the IMA." [453, 454]
Neben patientenbezogenen Faktoren steht das Ergebnis nach CABG im Zusammenhang mit der langfristigen Durchgängigkeit von Transplantaten und wird daher durch die Verwendung von arteriellen Transplantaten, insbesondere der IMA, maximiert.
"Except in rare circumstances, all patients should receive at least one arterial graft – the left IMA (LIMA) – preferentially to the LAD ." [453, 455]
Außer in seltenen Fällen sollten alle Patienten mindestens ein arterielles Gefäß - die linke IMA (LIMA) - vorzugsweise auf die LAD erhalten.
"SVG patency rates for non-LAD targets have been reported to be suboptimal [456]."
SVG-Offenheitsraten für nicht-LAD-Ziele wurden als suboptimal eingestuft.
"Bilateral IMA (BIMA) and radial artery for non-LAD targets have been shown to provide better patency rates than SVG, particularly for the left coronary artery system." [457]
Bilaterale IMA (BIMA) und Radialisarterien für Nicht-LAD-Ziele bieten nachweislich bessere Offenheitsraten als SVG, insbesondere für das linke Koronarsystem.
"Therefore, a second arterial graft should be considered depending on the patient`s life expectancy, risk factors for sternal wound complications, coronary anatomy, degree of target vessel stenosis, graft quality, and surgical expertise. Data from non-randomized studies suggest that the use of BIMA over single IMA (SIMA) use is associated with improvement of long-term survival, as well as fewer non-fatal events such as MI, recurrent angina, and the need for re-operation." [458-465]
Daher sollte ein zweites arterielles Transplantat in Betracht gezogen werden, abhängig von der Lebenserwartung des Patienten, den Risikofaktoren für Sternumwundkomplikationen, der Koronaranatomie, dem Stenosegrad des Zielgefäßes, der Transplantatqualität und der chirurgischen Expertise. Daten aus nicht-randomisierten Studien deuten darauf hin, dass die Verwendung von BIMA im Vergleich zur einseitigen Verwendung der IMA (SIMA) mit einer Verbesserung des Langzeitüberlebens sowie weniger nicht-tödlichen Ereignissen wie MI, rezidivierender Angina und der Notwendigkeit einer erneuten Operation verbunden ist.
"The ART trial (Arterial Revascularization Trial) has been designed to answer the question of whether BIMA can improve 10-year survival when compared with SIMA. Interim analysis showed no difference at 5 years in the rate of death or the composite of death, MI, or stroke, and 10-year results are warranted to draw final conclusions [467]. The Limitations of the ART trial include a high crossover rate from the BIMA arm to the SIMA arm and a high rate of radial artery use in the SIMA arm that may have diluted the benefit of BIMA." [468-470]
Die ART-Studie (Arterial Revascularization Trial) wurde entwickelt, um die Frage zu beantworten, ob BIMA das 10-Jahres-Überleben im Vergleich zu SIMA verbessern kann. Die Zwischenanalyse zeigte nach 5 Jahren keinen Unterschied in der Sterblichkeitsrate oder der Zusammensetzung aus Tod, MI oder Schlaganfall, und die Ergebnisse von 10 Jahren sind gerechtfertigt, um endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen[467]. Die Einschränkungen der ART-Studie beinhalten eine hohe Übergangsrate vom BIMA-Arm zum SIMA-Arm und eine hohe Rate der Verwendung der Radialisarterie im SIMA-Arm, die den Nutzen von BIMA verwässert haben könnte.
"While we await the 10-year data of the ART trial, BIMA grafting should be considered in patients with a reasonable life expectancy and a low risk of sternal wound complications."
Während wir auf die 10-Jahres-Daten der ART-Studie warten, sollte das BIMA-Transplantat bei Patienten mit einer angemessenen Lebenserwartung und einem geringen Risiko für Sternumwundkomplikationen in Betracht gezogen werden.
"While the skeletonized technique of harvesting the IMA has a higher theoretical potential for injury, the potential benefits include a longer conduit, more versatility (sequential anastomosis), higher blood flow, and fewer wound-healing problems. Therefore, in patients at higher risk of sternal wound complications, skeletonization is recommended." [471, 483-488]
Während die skelettierende Technik der IMA-Präparation ein höheres theoretisches Verletzungspotenzial hat, beinhalten die potenziellen Vorteile ein längeres Conduit, höhere Vielseitigkeit (sequentielle Anastomosen), einen höheren Blutfluss und weniger Wundheilungsprobleme[471, 483-488]. Daher wird bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Sternumwundkomplikationen eine Skelettierung empfohlen.
"A single cross-clamp technique may be preferred to multiple manipulations of the aorta, with the aim of reducing atheroembolic events, but a strict no-touch technique most effectively reduces embolization of atherosclerotic material. In cases of off-pump surgery, devices that allow a clampless procedure may help reduce the incidence of cerebral vascular complications." [508-510, 511, 512]
Eine einzige Abklemmung kann einer mehrfachen Manipulation der Aorta vorgezogen werden, um atheroembolische Ereignisse zu reduzieren, aber eine strenge berührungslose Technik reduziert am effektivsten die Embolisation von atherosklerotischem Material. In Fällen von Off-pump-Operationen können Geräte, die ein klammerloses Verfahren ermöglichen, dazu beitragen, die Häufigkeit von zerebralen Gefäßkomplikationen zu reduzieren.
"For some surgeons, off-pump surgery is associated with inferior early and late graft patency rates, and possibly compromised long-term survival; however, aortic no-touch/clampless off-pump procedures in the hands of highly trained teams appear to be associated with a reduced risk of early morbidity, such as stroke, and fewer transfusions." [508-510, 524-528]
Für einige Chirurgen ist die Off-Pump-Operation mit geringeren frühen und späten Durchgängigkeitsraten des Transplantats verbunden und gefährdet möglicherweise das langfristige Überleben; jedoch scheinen aortale berührungslose/klammerlose Off-Pump-Verfahren in den Händen von hochqualifizierten Teams mit einem reduzierten Risiko einer frühen Morbidität, wie z.B. Schlaganfall, und weniger Transfusionen verbunden zu sein.
IMA: internal mammary artery / innere Brustbeinarterie
CABG: coronary artery bypass grafting / koronare Bypassoperation
Redo: reoperation / Wiederholungseingriff
LIMA: left internal mammary artery / linke innere Brustbeinarterie
LAD: left anterior descending artery / vordere absteigende Koronararterie
BIMA: bilateral internal mammary artery / beidseitige innere Brustbeinarterie
SIMA: single internal mammary artery / einseitige innere Brustbeinarterie
SVG: saphenious vein graft / Venenbypass
MI: myocardial infarktion / Herzinfarkt
Royse A, Pawanis Z, Canty D, Ou-Young J, Eccleston D, Ajani A et al. The effect on survival from the use of a saphenous vein graft during coronary bypass surgery: a large cohort study. Eur J Cardiothoracic Surg 2018; 54:1093-100.
Conclusions: Any use of SVGs is independently associated with reduced survival after coronary artery bypass surgery.
Schlussfolgerungen: Jede Verwendung von SVGs ist unabhängig davon mit einem reduzierten Überleben nach einer koronaren Bypass-Operation verbunden.
Seit zehn Jahren findet im Albertinen Herz- und Gefäßzentrum ein zweitägiger Workshop zum Thema der komplett arteriellen Revaskularisation statt. Die gute Resonanz auf die Veranstaltungen der letzten Jahre veranlasst uns, den Workshop über die komplett arterielle Revaskularisation ohne Herz-Lungen-Maschine, der über technische Details dieses Konzeptes und seine Durchführbarkeit als Standardverfahren für alle Patienten informieren will, in diesem Jahr erneut anzubieten. Wir freuen uns, dass Prof. Franke aus dem Robert-Bosch-Krankenhaus in Stutugart und Prof. Pötzsch aus dem Universitätsklinikum Bonn über ihre Erfahrungen berichten werden. Wie im vergangenen Jahr wird die Veranstaltung in Kooperation mit der Firma Ethicon ausgerichtet und findet im Johnson & Johnson Institute in Norderstedt und in den OP-Sälen des Albertinen Herz- und Gefäßzentrums statt.
Die Überbrückung verengter und geschlossener Herzkranzgefäße mittels Bypässen ist eine seit fast 60 Jahren etablierte Methode zur operativen Behandlung der koronaren Herzkrankheit (KHK). Wurden hierzu lange Zeit ausschließlich Venen aus den Beinen entnommen, so werden die Bypässe heutzutage zumeist aus einer Kombination venöser und arterieller Gefäße gefertigt. Hingegen bleibt eine Bypass-Versorgung komplett aus arteriellen Gefäßen mit ca. 25 Prozent bundesweit bislang eher die Ausnahme.
Zahlreiche Studien zeigen: Die arterielle Koronarrevaskularisation (Revaskularisation = Wiederherstellung der Durchblutung eines Gewebes) insbesondere unter Verwendung beider Brustwandarterien ist für den hierin geübten Operateur das überlegene Verfahren zur Bypassversorgung, da diese Form der Überbrückung verschlossener Herzkranzgefäße wesentlich bessere Offenheitsraten aufweist als die Versorgung mit venösen Gefäßen. So sind Venenbypässe im Durchschnitt nach zehn Jahren nur noch zu 60% offen, während die Brustwandarterien nach diesem Zeitraum noch zu über 90% offen sind. Patienten profitieren von einer arteriellen Revaskularisation durch ein besseres Langzeitüberleben und weniger postoperative Komplikationen, so die Europäischen Leitlinien von 2018. Das Verfahren entlastet aber auch das Gesundheitssystem, denn es entstehen in aller Regel keine Kosten für eine erneute Bypassoperation.
Bei dem Verfahren der komplett arteriellen Bypassversorgung werden die beiden in unmittelbarer Nähe des Herzens liegenden Brustwandarterien (die sog. Arteriae mammariae) entnommen und als Bypässe auf die eingeengten oder verschlossenen Herzkranzgefäße genäht. Die Brustwandarterien sind den hohen „arteriellen“ Druck gewohnt – im Gegensatz zu den aus den Beinen entnommenen Venen, was sich günstig auf die Offenheitsraten der arteriellen Bypässe auswirkt.
Bei dem Herauslösen der Brustwandschlagader wird in der Regel ausschließlich die Arterie freigelegt, Begleitvenen, Nerven und umliegendes Gewebe werden erhalten. Vorteile sind die bessere Durchblutung des Brustbeins durch die Schonung des venösen Rückflusses und die Vermeidung der Schädigung von Hautnerven mit nachfolgenden Sensibilitätsstörungen. Insbesondere Patienten mit einem Diabetes mellitus profitieren von diesem Verfahren durch ein deutlich geringeres Infektionsrisiko.
Die Europäischen Leitlinien zur Koronarrevaskularisation empfehlen aufgrund der zahlreichen Vorteile die komplett arterielle Bypassversorgung unter Verwendung beider Brustwandarterien, wenn immer dies möglich ist.
Mit dem jetzt gegründeten „Deutschen Zentrum für Arterielle Koronar-Revaskularisation“ (DZAKR) möchte sich das Hamburger Albertinen Herz- und Gefäßzentrum für die komplett arterielle Bypassversorgung einsetzen. Im DZAKR werden koronare Bypassoperationen zu 95 % komplett arteriell durchgeführt, häufig ohne Einsatz der Herz-Lungenmaschine. Im Rahmen einer großangelegten Studie mit fast 3.500 Patienten über den Zeitraum von 13 Jahren (2000 – 2012) wurden im Albertinen Herz und Gefäßzentrum alle komplett arteriellen Bypassoperationen mittels beider Brustwandarterien mit und ohne Einsatz der Herz-Lungenmaschine untersucht und die Ergebnisse in der renommierten Zeitschrift „Cardiology“ veröffentlicht: Bei keinem der untersuchten Patienten war über den langen Zeitraum von 13 Jahren eine erneute Operation erforderlich, die Sterblichkeitsrate der komplett-arteriell und ohne Einsatz der Herz-Lungenmaschine behandelten Patienten lag bei lediglich 0,2%.
Prof. Dr. Friedrich-Christian Rieß, Chairman des Albertinen Herz- und Gefäßzentrums, Chefarzt der Herzchirurgie und Direktor des Deutschen Zentrums für arterielle Koronarrevaskularisation: „Es gibt nur sehr wenige Kontraindikationen für eine komplett arterielle Revaskularisation. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass dieses Behandlungskonzept möglichst vielen Patientinnen und Patienten zugutekommt und kümmern uns um die Ausbildung des chirurgischen Nachwuchses.“
Das Albertinen Herz- und Gefäßzentrum mit Standorten am Albertinen Krankenhaus in Hamburg-Schnelsen und dem Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus in Hamburg-Volksdorf gehört bundesweit zu den Vorreitern einer koronaren Bypassversorgung komplett mit arteriellen Gefäßen. Diese besondere Kompetenz wird jetzt in dem neu gegründeten Deutschen Zentrum für arterielle Koronar-Revaskularisation gebündelt. Prof. Dr. Friedrich-Christian Rieß, Chairman des Albertinen Herz- und Gefäßzentrums und Direktor des Zentrums erläutert im Gespräch mit albertinen aktuell die Hintergründe.
Die Bypass-OP zur Überbrückung verengter oder geschlossener Herzkranzgefäße ist heutzutage Standard. Was machen Sie anders?
Bei uns im Albertinen Krankenhaus werden in 95 Prozent aller Fälle ausschließlich die sogenannten Brustwandarterien zur Überbrückung eingesetzt und auf Bypässe aus Venen komplett verzichtet. Denn wir wissen, dass die Brustwandarterien länger offen bleiben als die venösen Gefäße. Das heißt, die Bypässe erfüllen im Durchschnitt deutlich länger ihren Zweck.
Woran liegt das?
Die Brustwandarterien verlaufen in unmittelbarer Nähe des Herzens und sind den dort vorhandenen hohen Druck gewohnt, mit dem das Herz das sauerstoffreiche Blut in den Blutkreislauf pumpt. Die venösen Gefäße hingegen werden den Beinen entnommen, wo der Druck viel geringer ist. Im Ergebnis sind nach zehn Jahren rund 40 Prozent der venösen Bypässe erneut verschlossen, aber nur weniger als zehn Prozent unter Verwendung der Brustwandarterien.
Also Ihrerseits eine klare Empfehlung für Herzbypässe komplett aus Arterien?
Absolut. Und damit stehen wir nicht alleine. So heißt es in den europäischen Leitlinien von 2018, dass Patienten von einer arteriellen Revaskularisation, also der Wiederherstellung der Durchblutung des Gewebes durch arterielle Gefäße, durch ein besseres Langzeitüberleben und weniger postoperative Komplikationen profitieren. Das Verfahren entlastet im Übrigen auch das Gesundheitssystem, denn es entstehen in aller Regel keine Kosten für eine erneute Bypassoperation.
Nun haben Sie das „Deutsche Zentrum für arterielle Koronar-Revaskularisation“ (DZAKR) gegründet. Was verbirgt sich dahinter?
Der Name steht für ein Zentrum, das sich die Wiederherstellung der Durchblutung des Gewebes am Herzen durch arterielle Gefäße auf die Fahnen geschrieben hat. Derzeit werden lediglich rund 25 Pozent aller Bypassoperationen am Herzen in Deutschland komplett mit arteriellen Gefäßen durchgeführt. Das ist angesichts der angesprochenen Vorteile aus unserer Sicht viel zu wenig. Im Albertinen Herz- und Gefäßzentrum sind es wie gesagt rund 95 Prozent, häufig auch ohne den Einsatz der Herz-Lungenmaschine. Wir sehen die Verwendung beider Brustwandarterien bei der Bypassversorgung für den hierin geübten Operateur als das überlegene Verfahren an. Das hat auch eine Studie mit rund 3.500 Patienten gezeigt, die wir über einen Zeitraum von 13 Jahren im Albertinen Herz- und Gefäßzentrum durchgeführt haben: Bei keinem der untersuchten Patienten war über diesen langen Zeitraum eine erneute Operation erforderlich, die Sterblichkeitsrate der komplett-arteriell und ohne Einsatz der Herz-Lungenmaschine behandelten Patienten lag bei lediglich 0,2 Prozent. Wir haben uns deshalb mit der Gründung dieses Zentrums zum Ziel gesetzt, dass dieses Behandlungskonzept möglichst vielen Patientinnen und Patienten zugutekommt und kümmern uns um die Ausbildung des chirurgischen Nachwuchses.
Prof. Dr. Friedrich-Christian Rieß
Chefarzt der Klinik für Herzchirurgie
Albertinen Krankenhaus
Chairman
Albertinen Herz- und Gefäßzentrum
Tel. 040 55 88 - 24 45
E-Mail petra.schlizio@immanuelalbertinen.de
Albertinen Herz- und Gefäßzentrum
Albertinen Krankenhaus
Süntelstraße 11a
22457 Hamburg Schnelsen
Tel: 040 5588-2445
E-Mail
F.-C. Rieß
Die europäischen Leitlinien bestärken uns darin, möglichst alle unsere Koronarpatienten komplett arteriell zu revaskularisieren. Mehr erfahren >
Sechs Veranstaltungen für Patienten rund um Themen der Herzmedizin
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